Gemeinsam die mikrobiologische Synthese-Plattform der Zukunft gestalten

Dresden /

Die exponentielle Zunahme des weltweiten Datenvolumens stellt eine enorme Herausforderung dar. Traditionelle Speicherlösungen stoßen an ihre Grenzen, weshalb alternative Ansätze erforscht werden. Eine vielversprechende Möglichkeit ist die Verwendung von DNA als Speichermedium. Allerdings sind die aktuellen Verfahren zur mikrobiologischen Synthese der Daten noch ineffizient und ressourcenintensiv. Um diese Hürden zu überwinden, arbeitet das Fraunhofer-geförderte Projekt "BIOSYNTH" an der Entwicklung einer hochdurchsatzfähigen Mikrochipplattform für die Synthese von DNA, RNA und Peptiden.

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Projektziele des Gemeinschaftsprojektes „BIOSYNTH“
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Kompetenzen der Fraunhofer-Institute für die künftige Mikrochipplattform „BIOSYNTH“

Das weltweite Datenvolumen wächst täglich in der Größe von mehreren Terabytes. Viele dieser Daten müssen langfristig gespeichert und archiviert werden, die aktuellen technischen Möglichkeiten stoßen absehbar an Grenzen. DNA als Speichermedium ist hier eine echte Alternative, allerdings ist die mikrobiologische Synthese der übersetzten Daten noch wenig effizient und ungenau sowie ressourcenaufwändig. Dabei sind Parameter wie eine hohe Informationsdichte und Lebensdauer sowie niedrige Energiekosten von hoher Relevanz. DNA ist nicht nur Speichermedium für genetische Informationen, sondern kann auch zur Speicherung von Daten eingesetzt werden. Bei der Nutzung von DNA als Massendatenspeicher werden zunächst digitale Informationen, d. h. ein konventioneller Binärcode in einen genetischen Code, d.h. in DNA-Sequenzen übersetzt. Anschließend werden diese Sequenzen synthetisiert und gespeichert. Die Codierung und auch die Decodierung der Daten findet digital statt. Allerdings sind für die Synthese und Sequenzierung der DNA maschinelle Prozesse notwendig. Die wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung eines biologischen Massendatenspeichers mit hoher Speicherdichte und Beständigkeit ist eine deutliche Verbesserung der DNA-Synthese, für die es bislang noch keine Hochdurchsatz-Technologie gibt. Bisherige Synthese-Ansätze sind insbesondere bei der Produktion langer DNA-Segmente sehr wenig effizient und generieren Ungenauigkeiten, deren Korrektur zeitaufwändig und teuer ist. Darüber hinaus ist die Gerätetechnik bislang äußerst platz- und kostenintensiv.

Die Erforschung und die Entwicklung einer Hochdurchsatz-Mikrochipplattform für DNA, RNA- oder Peptid-Synthese, u. a. für zukünftige Massendatenspeicher, ist Ziel des Fraunhofer-geförderten Projektes „BIOSYNTH“. Um die Forschungsarbeiten frühzeitig auf die Bedürfnisse der künftigen Anwender ausrichten zu können, wollen sich die Wissenschaftler der beteiligten Fraunhofer-Institute FEP (Koordination), IPMS, IZI-BB und ITEM fachübergreifend mit potenziellen Anwendern austauschen. In einem Anwenderworkshop, am 05.12.2023, präsentieren sie erste Einblicke in die Ergebnisse und Technologiedemonstratoren und suchen gleichzeitig den Dialog mit Ihnen.

Mikrobiologische Synthese mit Hochdurchsatz-Mikrochipplattform

Die zu entwickelnde Mikrochipplattform zum Schreiben von softwaredefinierten Nukleotidsequenzen (z. B. DNA, RNA oder Peptide) soll künftig durch Vervielfältigung in den Serienfertigungsprozessen der Mikroelektronikindustrie die hochparallele Herstellung von Massendatenspeichern im Hochdurchsatz ermöglichen. Mithilfe der Plattform sollen durch Miniaturisierung die heute raumfüllenden Synthese-Geräte durch portable, energiearme und kostengünstige Systeme ersetzt und so die kommerzielle, biologisch basierte Datenspeicherung ermöglicht werden. Darüber hinaus kann die Plattform auch für weitere Anwendungen wie Öko- und Lebensmitteltoxikologie (u.a. non-target screening), individualisierte Therapien, Bio-Computing oder in der Logistik eine wichtige Komponente darstellen.

Seit dem Projektstart im Jahr 2022 haben die Forschenden bereits erste Ergebnisse in den einzelnen Teilprozessen erzielt. Das Fraunhofer FEP entwirft für die künftige Mikrochipplattform die integrierte Schaltung der CMOS-Backplane zur Ansteuerung und Auslese der Mikroheizer für die Biosynthese und die Ansteuerung für die OLED- und Photodetektor-Pixel in der Aktiv-Matrix-Anordnung zu Photoaktivierung sowie Prozesskontrolle.

Dr. Uwe Vogel, Bereichsleiter für Mikrodisplays und Sensorik am Fraunhofer FEP und Koordinator des Projekts erläutert: „Wir arbeiten derzeit neben der CMOS-Entwicklung an einer speziell angepassten OLED Frontplane und deren technologischen Co-Integration mit dem Heizsystem des Fraunhofer IPMS für die Unterstützung der Synthese. Außerdem untersuchen wir deren Einfluss auf die nachgelagerten Bauelemente und Prozesse der Mikrochipplattform. Hier sind bereits vielversprechende erste Versuche gelaufen. Auch die anderen Institute erzielten erste Ergebnisse, die wir Ende des Jahres in einem Workshop vorstellen möchten.“

Anwenderworkshop zur passgenauen Entwicklung der Mikrochipplattform

Um die Mikrochipplattform und auch die mikrobiologischen Syntheseprozesse zielgenau für zukünftige Anforderungen zu entwickeln, führt das Forschungskonsortium einen Anwenderworkshop im Dezember 2023 durch. Hier werden einem ausgewählten Teilnehmerkreis die ersten Entwicklungsergebnisse vorgestellt und diskutiert.

Dr. Vogel dazu: „Wir möchten frühzeitig mit potenziellen Anwendern einer solchen Mikrochipplattform ins Gespräch kommen. Es gibt im Moment nur wenige Forschungsaktivitäten in diesem Gebiet in Europa. Die Potenziale dieser Technologie können allerdings bahnbrechend sein und für eine große Breite an Anwendungsgebieten enorme Verbesserungen bringen. Daher sind der Austausch und die frühe Abstimmung mit weiteren Experten aus anderen Branchen für uns wichtig. Nur so können wir auf die Anforderungen potenzieller Anwender eingehen, die wir vielleicht bis heute noch gar nicht ins Auge gefasst haben.“

Das Fraunhofer IPMS entwickelt die Ebene der Mikrochipplattform mit der Heizfunktion zur Einstellung der Temperatur zur biologischen Synthese. Diese Funktion wird durch Strukturen in der Oberflächenmikromechanik in Anlehnung an die Technologie der kapazitiven mikromechanischen Ultraschallwandler (Capacitive Micromachined Ultrasonic Transducers – CMUT) erreicht. Außerdem ist das Fraunhofer IPMS für die Realisierung einer MEMS-Technologie verantwortlich, in der die OLED- und Photodetektor-Pixel integriert werden können. Im Anwenderworkshop wird das Fraunhofer IPMS einen ersten Technologiedemonstrator eines steuerbaren Heizerarrays präsentieren, der die Strukturen in der Oberlächenmikromechanik mit offenen Membranen zeigt.

Das Fraunhofer IZI-BB bringt seine Expertise im Bereich der zellfreien Bioproduktion, bei Mikrofertigungstechnologien und aus der Mikrofluidik und biochemischen Synthese ins Projekt BIOSYNTH ein und zeichnet sich verantwortlich für die Syntheseprozesse zur Produktion der DNA. Die Wissenschaftler des Fraunhofer IZI-BB werden im Anwenderworkshop die Synthetisierung von DNA auf einem Heizerarray des Fraunhofer IPMS demonstrieren.

Um die Datenspeicherung auf dieser neuen Plattform umzusetzen, entwickelt die Gruppe Bioinformatik am Fraunhofer ITEM spezielle Kodierungsverfahren in biologischen Komponenten. Im Dezember 2023 präsentiert das Institut bereits beispielhaft die Codierung der DNA und die bisherigen Prozesse dazu. Hierzu werden auch die Themen Datenkonvertierung, fehlerkorrigierende Codes und mögliche Big-Data-Technologien für das Projekt beleuchtet. Beim Anwenderworkshop zeigt das ITEM anhand von Beispielen die speziell auf die Mikrochipplattform zugeschnittenen Kodierungsschemata sowie Datenkompression mit Hauptaugenmerk auf die Schreibgeschwindigkeit.
Zur Sicherung der wissenschaftlichen Methodik, Industriekompatibilität sowie Anwendungs-Relevanz werden Projekt und Fraunhofer-Konsortium seit Beginn durch einen Beraterkreis begleitet, in dem Vertreter/-innen der Universität Marburg, des Bundesarchives sowie der Firmen X-FAB Semiconductor Foundries, Infineon Technologies und Hybrotec mitwirken.

Zum Anwenderworkshop, am 5. Dezember 2023, stehen die Forschenden aller Projektpartner sowie der Beraterkreis des Projektes BIOSYNTH für einen angeregten offenen und fachübergreifenden Austausch zu den Plattformtechnologien und künftigen Anwendungsfeldern der Hochdurchsatz-Mikrochipplattform zur Verfügung – auch über die Datenspeicherung hinaus! Interessierte Unternehmen und Partner sind eingeladen, sich für den Workshop in Dresden anzumelden (Vorab-Registrierung erforderlich). Es werden die ersten Technologiedemonstratoren und Forschungsergebnisse in Beiträgen und Postersessions durch die Projektpartner vorgestellt.

Über das Projekt „BIOSYNTH“

BIOSYNTH – Modulare Hochdurchsatz-Mikro-Plattform für künftige Massendatenspeicher aus synthetischer Biologie


Gefördert durch die Fraunhofer-Gesellschaft e.V.
in einem internen „PREPARE“- Programm (40-03168).

Laufzeit: 1. Juni 2022 – 31. Mai 2025

Projektpartner:

  • Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP
  • Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS
  • Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie, Institutsteil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB
  • Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM

Beraterkreis:

  • Prof. Dr. Anke Becker, Philipps-Universität Marburg
  • Christoph Kögler, Infineon Technologies, Dresden
  • Volker Herbig, X-FAB Group, Erfurt
  • Timo Dommermuth, Bundesarchiv Koblenz
  • Jörg Schenk, Hybrotec GmbH, Potsdam